Der größte Film-Boxer aller Zeiten ist zurück – jedoch nur als Trainer. Nach 40 Jahren führt Sylvester Stallone in „Creed – Rocky’s Legacy“ seinen Nachfolger ein.
Vor 40 Jahren wurde mit „Rocky“ der Grundstein für eine der erfolgreichsten Sportfilmreihen aller Zeiten gelegt. Der Film war 1976 ein Überraschungserfolg an den Kinokassen und gewann drei Oscars. Auch im Jahr 2016 wird noch immer in den Straßen von Philadelphia geboxt. Mittlerweile schnürt jedoch nicht mehr Rocky Balboa seine Box-Handschuhe für den Kampf, sondern der talentierte Youngster Adonis Johnson.
Adonis und Rocky – Treffen der Generationen
Vollwaise Adonis Johnson (Michael B. Jordan) – sein Vater, Box-Weltmeister Apollo, starb im Ring („Rocky 4“), seine Mutter war nur eine Affäre – hatte es als Kind nicht leicht. Bereits früh versuchte er sich auf kämpferische Art und Weise zu profilieren. Aufenthalt im Jugendknast inklusive. Es folgte jedoch die Wende: Creeds Witwe, Mary Anne, nahm Adonis auf und ermöglichte ihm ein besseres Leben in wohlhabendem Hause.
Doch wie seinem Vater liegt auch ihm das Boxen im Blut. Obwohl er eine lukrative Karriere vor Augen hat, testet er seine eigenen (boxerischen) Grenzen immer wieder aus und beschließt schließlich, sich komplett dem Boxen zu widmen. Johnson reist nach Philadelphia, um sich dort von Rocky (Sylvester Stallone), dem einstigen Gegner und späteren Freund seines Vaters, zu einem richtigen Fighter ausbilden zu lassen.
Balboa, der mittlerweile mit dem Boxsport abgeschlossen hat, weigert sich zunächst, dem jungen Kämpfer zu helfen, erkennt jedoch Paralellen zwischen Creed und Adonis und nimmt diesen schließlich als Trainer unter seine Fittiche.
Bruch mit Traditionen und Box-Klischees
Ungebildet, aus einfachen Verhältnissen und aus den Armenvierteln der Stadt stammend – die Hintergrundgeschichte des Rocky Balboa war um kein Klischee verlegen. Umso erfrischender ist es, dass Regisseur Ryan Coogler bei „Creed“ mit diesen Elementen bricht und in Adonis „Creed“ Johnson einen Charakter präsentiert, der nicht nur das komplette Gegenstück des „italienischen Hengstes“ Balboa darstellt, sondern auch dem Klischee-Bild vom schwarzen Boxer aus der Gosse widerspricht.
Dem 29-jährige Coogler, der zuvor mit „Fruitvale Station“ (2013) erst einen abendfüllenden Film gedreht hat, gelingt mit dem siebten Teil der Rocky-Reihe ein respektvoller, aber dennoch erfrischender Umgang mit der in die Jahre gekommenen Legende. Zudem schafft es der Film immer wieder, kleine Flashbacks zu integrieren. Sei es die Treppe zu Füßen des Philadelphia Museum of Art oder die ungewöhnlichen Trainingsmethoden des Rocky Balboa – die Stimmung passt.
Neben einer positiven Form von Pathos, wie man diese selten im Kino zu sehen bekommt, setzt der Film zudem auf eine inhaltliche Tiefe, die man im Vorfeld sicherlich nicht erwarten konnte. Neben der Geschichte von Adonis Johnson in Philly abseits des Rings verleihen vor allem die bewegenden Einblicke in das Leben der gealterten Box-Legende Balboa dem Film eine emotionale Tiefe.
Rocky als Oscar-Kandidat
Das Aufeinandertreffen zweier Generationen auf der einen Seite, die Sportgeschichte rund um das aufstrebende Talent auf der anderen Seite – „Creed“ ist vor allem eines: Großes (Box-)Kino! Neben Michael B. Jordan, der als junger, talentierter Boxer aus wohlhabendem Hause überzeugt, brilliert Sylvester Stallone in seiner Rolle mit seiner vielleicht besten schauspielerischen Karriereleistung.
Während sich „Creed“, anders als der erste Teil der „Rocky“-Reihe, keine Hoffnung auf einen Oscar in der Königskategorie als Bester Film machen darf, könnte am 28. Februar für Stallone eine Dankesrede fällig werden. Nachdem der 69-Jährige bereits bei den Golden Globes als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde, gehört er zu den Favoriten bei der Verleihung der diesjährigen Academy-Awards als bester Nebendarsteller. Es wäre eine späte Ehre für Stallone und sein Alter Ego Rocky Balboa: Bereits 1977 war er für seine Rolle des Boxers für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert, unterlag damals jedoch Peter Finch.
Alte Geschichte neu verpackt?
Man könnte sicherlich kritisieren, dass die Geschichte von „Creed“ offensichtliche Paralellen zu „Rocky“ aus dem Jahr 1976 aufweist: Ein junges Talent sucht seinen Mentor und findet schließlich den Weg zum Erfolg. Dies wäre jedoch viel zu einfach. Alles in allem präsentiert sich „Creed“ als eine Hommage an die gesamte „Rocky“-Saga, welche durch ein Gesamtpaket aus toller Kamera, toller Musik, tollen Dialogen und gut choreografierten Kampfszenen überzeugen kann. Gerade dadurch schafft es der neuste Teil des „Rocky“-Universums, sich als eigenständige Geschichte zu etablieren.
„Creed – Rocky’s Legacy“ läuft ab dem 14. Januar 2016 in den deutschen Kinos.
(Bilder: © 2015 Warner Bros.)