Was, wenn ein Videospiel wie ‚Battlefield 1‘ ein reales Kriegssetting wählt? Welche historische Verantwortung haben Entwickler, Publisher, Game und Spieler?
100 Jahre nach dem 1. Weltkrieg erscheint am 21. Oktober mit ‚Battlefield 1‘ ein Videospiel, das die damalige Kriegsszenerie auf die heimische Spielkonsole bringt. Zwischen 1914 und 1918 forderte der 1. Weltkrieg weltweit rund 17 Millionen Menschenleben und gehört zu den großen Krisen des 20. Jahrhunderts. Aber ganz ehrlich: Darf man ein historisches Schicksal, wie das des ersten Weltkriegs, Inhalt eines Videospiels sein?
Es ist keine einfach zu beantwortende Frage, was sich auch anhand diverser Spieler-Reaktionen verdeutlichen lässt. So gab es nach der Veröffentlichung des ersten Trailers im Mai 2016 zahlreiche Videos, in denen Leute zum Beispiel über Giftgas als Spielelement jubeln.
Während der Trailer musikalisch von den ‚The White Stripes‘ und ihrem Song ‚Seven Nation Army“ untermalt ist, präsentieren die User Reaktionen, bei denen man einfach nur denkt: ‚Das können die doch nicht feiern!‘ Eine Einschätzung, die auch Michael Cherdchupan vom Gamepodcast ‚InsertMoin‚ teilt:
„Das, was damals im 1. Weltkrieg mit dem Giftgas gelaufen ist, war eine ganz furchtbare Sache. Dass die Leute sich jetzt freuen, dass man das gegen Gegner einsetzen kann, ist das schon eine ziemlich krasse Nummer. Vor ungefähr 100 Jahren waren das ganz grausame Tode.“
Entwickler, Publisher und Spiel in der Verantwortung
Doch nicht nur die Spieler und ihre Jubelrufe zeigen, wie kompliziert der Spagat zwischen Spielspaß und historischer Verantwortung ist. Laut Cherdchupan besteht bei Videospielen immer noch die Gefahr, dass man Personen verhöhnt, welche an den realen Begebenheiten teilgenommen haben. Für den Podcaster geht es um „einen respektvollen Umgang“, welcher definitiv gewährleistet sein muss.
Blond, blauäugig, deutsch – nicht im 1. Weltkrieg
In dieser Hinsicht präsentiert sich das Spiel, welches vom schwedischen Entwicklerstudio EA DICE erstellt wurde, historisch überraschend genau. Nicht nur Setting oder Waffen wurden detailliert nachgebildet, sondern auch die Zusammensetzung der Einheiten. Ein Punkt, welcher im Rahmen der Beta-Phase unter anderem auf der Webseite ‚reddit‘ für Diskussionen – oftmals unter der Gürtellinie – sorgte.
So büskierten sich Spieler über einen deutschen Scharfschützen. Grund: die Figur ist schwarz. Aber was Fakt ist: Die Soldaten des Deutschen Kaiserreichs waren nicht nur blond und blauäugig. Es waren auch Soldaten aus dem ehemaligen Deutsch-Ostafrika im Einsatz, genauso wie Askari, größtenteils freiwillig rekrutierte Krieger aus den Stämmen der Nyamwezi und Manyema.
Ein Beispiel dafür, dass Shooter mit historischen Setting nicht zwingend kriegsverherrlichend sein müssen, sondern auch zur Aufarbeitung beitragen können – wenn auch mit Einschränkungen wie Cherdchupan erklärt:
„Was der Multiplayer wegen seines Wettbewerb-Charakters vielleicht nicht liefern kann, das kann der Single-Player auf jeden Fall leisten: Es ist eine große Chance, pädagogische Ansätze und auch Denkansätze zu liefern.“
Videospiele haben laut Cherdchupan nämlich anders als Bücher und Filme die Möglichkeit, dem Spieler eine Verantwortung und emotionale Bindung durch die Einordnung in eine Opferrolle übertragen können. Dafür bedarf es jedoch einer von den Autoren clever eingesetzten Story und Sichtweise im Spiel.
Spieler durch Opferrolle in der Verantwortung
Wie sich die finale Version spielen lässt – und ob es gelingt, Spielern Geschichte zu vermitteln, ohne den Spielspaß dabei zu kurz kommen zu lassen, wird sich ab dem 21. Oktober zeigen, wenn das Spiel für Computer und Konsole erscheint.
Der Artikel wurde erstmal für M94.5 am 22. Oktber 2016 veröffentlicht.